Ein Nachruf von seinem Freund Jörg "Giorgio" Strehler.
Die Nachricht von seinem Tod erreicht mich kurz vor
Donnerstagmittag. Vor drei Wochen erst bin ich ihm vis-à-vis gesessen. An seinem
Küchentisch haben wir geplaudert, wie so oft... und Wein getrunken; und jetzt
soll er tot sein! Auf einer BMW K1100LT jage ich Samstag morgen durch
Nebelfetzen auf der Autobahn in Richtung Venedig. Gedanken besetzen meine
Konzentration, Gedanken an Massimo, er wird mir nicht böse sein, weil ich mit
einer BMW an seine Beerdigung komme. Schließlich ist er ja meistens mit seiner R
80 G/S zur Arbeit gefahren und über viele Jahre mit Hans–Günther von der
Marwitz, dem ehemaligen BMW Entwicklungsleiter, gut befreundet gewesen.
Massimo ist als ältester Sohn des Firmengründers Dottore Francesco Laverda am
27.11.1938 in Breganze geboren. Zusammen mit sechs Schwestern und seinem Bruder
Piero Antonio wuchs er in unmittelbarer Nähe der Werkhallen und der Teststrecke
von Moto Laverda auf. Mit knapp 25 Jahren tritt er in die Firma seines Vaters
ein und reist 1964 mit vom jungen Motorradjournalisten Carlo Perelli
vermittelten Adressen im Gepäck für drei Wochen nach Kalifornien und New York.
Von den dortigen Motorradjournalisten und Enthusiasten lernt er vor allem zwei
Dinge: "Bigger is better" und "du triffst die nettesten Leute auf einer
Honda". Selbst begeisterter Motorradfahrer auf seiner Alltags BMW R69S und
der Vincent Black Shadow glaubt Massimo trotz europaweit herrschender Krise in
der Branche an die Zukunft großvolumiger Motorräder. Mit viel Herzblut und
Enthusiasmus konstruiert er schon 1964 seine erste komplette Neuentwicklung, die
mit einem liegenden 4-Takt Motor ausgestattete 125er Laverda Sport und
Trial.
Gegen den heftigen Wiederstand des langjährigen Direktors von Moto Laverda,
Dottore Nolli, kann Massimo schließlich seinen Vater von der Notwendigkeit,
große Motorräder zu bauen, überzeugen. Francesco Laverda übergibt schließlich
die Firmenleitung seinem Sohn und gründet in Trento, im ehemaligen Aeromere Werk
(Caproni – Moto Capriolo) die Laverda Trento SPA und baut dort neu Wohnwagen,
ein Sportflugzeug, die Falco F8L und eine neue Gießerei auf. Erst nachdem
Francesco Laverda ca. ein Jahr später das "Oldstaff-Kader" aus Breganze abzieht,
kann Massimo mit Cheftechniker Zen die 650er Laverda fertig entwerfen und
bereits im Spätherbst 1966 auf der Earlscourt in London einem verblüfften
Fachpublikum zeigen. Nach 750GT und 750S dann der nächste Hammer: An der
Fiera in Milano 1969 steht eine Tausender 120° 3 Zylindermaschine mit einem für
damalige Verhältnisse äußerst modernen Motorenlayout. Wie innovativ und
fortschrittlich Massimo ist, zeigt er aber schon ein Jahr später mit dem zweiten
Mille Prototypen. Der neue 180° Motor mit nun zwei obenliegenden Nockenwellen
und Tassenstößelventiltrieb hat als absolutes Novum einen geräuscharmen
Zahnriemen anstelle der damals üblichen Steuerkette. Aber es gibt noch eine
andere tolle Geschichte über diesen wohl letzten wirklich echten
Motorradpatriarchen. Weil Massimo Laverda mit der Anzeigegenauigkeit der damals
lieferbaren italienischen Instrumente nicht zufrieden war, montierte er bei all
seinen Big Bikes englische Smiths Uhren. Doch mit dem Untergang der britischen
Motorradindustrie waren diese bald auch nicht mehr lieferbar. Notgedrungen
machte sich Massimo auf ins Land des Lächelns zu Nippon Denso. Im fernen Japan
ließ er sich die ganze N.D. Palette zeigen, und als man ihm am Schluss noch die
exklusiv für Honda gemachten Tachos und Drehzahlmesser zeigte, wollte er genau
diese auch für seine 750er und für die neue Mille, mit Laverdalogo! Freundlich
lächelnd gaben ihm die Verkaufsingenieure zu verstehen, dass dies nicht möglich
sei, da Herr Soichiro Honda eben genau diese Uhren für die neuen Honda 500 und
750 Four bauen ließ. Zurück in Italien hat er dem Herrn Honda sofort einen Brief
geschrieben, worauf dieser ihm per Telex antwortete: "Es ist uns eine Ehre wenn
Moto Laverda die gleichen Uhren verwendet wie wir sie bei Honda verbauen!"
Heute sind viele Laverdas mit den originalen Honda-Instrumenten ausgerüstet,
da diese viel leichter zu finden sind als die technisch identischen, aber mit
dem Laverdalogo und dem etwas tieferen roten Bereich beim Drehzahlmesser
ausgestatteten Laverda-Originaluhren. Im Frühling 1976 trifft Massimo per
Zufall Giulio Alfieri, genialer Motorenkonstrukteur bei Maserati und ehemaliger
Studienkollege von ihm. Verwundert, ihn im Veneto zu treffen, erfährt Massimo
von Alfieris Problemen mit dem neuen Maserati Besitzer De Tomaso und seinem
daraus resultierenden neuen Job hier in der Nähe von Breganze. Sofort schaltet
Massimo, denkt an die Zukunft und wassergekühlte 3- und 4-Zylindermotoren und
rekrutiert Giulio Alfieri, um mit dessen Erfahrung und Können die legendäre
Laverda V6 zu konstruieren! (siehe Motorrad Classic 5/2005). Bereits an der
Fiera Milano im Herbst 1977 ist dieses Motorrad die absolute Bombe. Eine
heimtückische Erbkrankheit macht sich aber leider immer mehr bemerkbar und so
wird Massimo gezwungen, sich mehr und mehr vom operativen Geschäft
zurückzuziehen und seinem jüngeren Bruder Piero Antonio das Ruder von Moto
Laverda zu überlassen.
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Mit grossem Enthusiasmus nimmt Massimo Laverda 1991 am ersten grossen
internationalen Laverdatreffen in Breganze aktiv teil. Unvergessen sein Ruf ins
Megafon, als er auf der gemeinsamen Ausfahrt um die Sellagruppe nach einer
Mittagsrast die Laverdapiloten aufforderte: "Gentlemen, please start your
engines, we go to the hills!" Doch die letzten Jahre wurde es ruhiger um ihn,
immer seltener ging er außer Haus und wenn, dann am liebsten nach Lavarone in
sein wunderschön gelegenes Ferienhaus. Am Mittwochabend 26.10.2005 um ca.
19:00 Uhr stirbt mit Dottore Massimo Laverda eine große Persönlichkeit, einer
der letzten echten Motorradpioniere der Geschichte machte... und ein ganzes Dorf
verabschiedet sich von einem der Ihren. Tränen der Trauer und Worte der
Wertschätzung zeugen von einem Menschen, der weit über sein Dorf hinaus äußerst
geschätzt und beliebt war!
Bei den Laverdisti ist der Name Massimo Laverda bereits ein Mythos, denn er
hat Francescos Erbe weitergetragen und der Marke Laverda weltweit Ruhm und
Anerkennung gebracht! Massimo lebt in seinen Motorrädern weiter, er hat den
legendären Ruf von Moto Laverda maßgeblich geprägt!
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Das Bild zeigt Massimo Laverda mit seiner Frau Renata, als
"Special Guest" auf dem Treffen 1991, welches von Roberto Z'Graggen ausgerichtet
wurde. Sicher auch ein schönes Zeichen der Verbundenheit von Massimo zu den
Kunden und Fahrern von LAVERDA-Motorrädern.
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